Liebes Publikum,
als beschlossen wurde, das Theater an der Wien permanent zum städtischen Opernhaus zu machen, zweifelten manche an der Notwendigkeit und an den Erfolgschancen eines dritten Opernhauses in der Donaumetropole. 18 Jahre und rund 2.500 Aufführungen später wäre Wien nicht Wien ohne dieses Musiktheater, das nach zwei ereignisreichen Spielzeiten im MuseumsQuartier zu Beginn der Saison 24/25 wieder ins eigene, generalsanierte Theater an der Wien zurückkehrt.
Unter den vielen Menschen, die dies ermöglicht haben, möchte ich mich vor allem bei Ihnen als Freund*in der Musik und des Theaters herzlich bedanken. Denn Ihre Begeisterungsfähigkeit und Treue bilden das tragende Fundament dieses Hauses und sind das Ziel unserer Bestrebungen, zeitgemäßes Musiktheater an diesem geschichtsträchtigen Ort zu präsentieren. Zum Festakt zur Wiedereröffnung des Theaters an der Wien am 12. Oktober und zum Tag der offenen Türen am 19. Oktober 2024 laden wir alle Wiener*innen und die ganze Welt herzlich dazu ein, um unser in neuem Glanz erstrahlendes und akustisch ertüchtigtes Haus in Augen- und Ohrenschein zu nehmen.
Wie zur Eröffnung des Theaters an der Wien als neues Opernhaus im Jahr 2006 steht auch zu seiner Wiedereröffnung Idomeneo von Wolfgang Amadeus Mozart auf dem Programm. In seiner ersten großen Oper, die zugleich seine letzte vor der Übersiedelung nach Wien wurde, fand Mozart nicht nur den unverwechselbaren Ton seiner späteren Meisterwerke, sondern richtete die krude Geschichte über ein den Göttern versprochenes Menschenopfer so für die Bühne ein, dass die Oper endgültig zum Manifest des aufgeklärten Humanismus wurde. Von dieser Entwicklung zeugt das gesamte, sich über 401 Jahre erstreckende Programm dieser Saison am MusikTheater an der Wien. Am Anfang steht das Projekt Combattimenti in der Kammeroper mit Musik von Claudio Monteverdi, dessen Madrigale als die Wiege des Musiktheaters gelten. Und am Ende steht die Uraufführung einer neuen Oper von Miroslav Srnka, der mit Voice Killer in den Abgrund unerfüllter männlicher Sehnsucht nach Geborgenheit blickt.
Konträr dazu Robert Schumanns weltliches Oratorium Das Paradies und die Peri über die obsessive Suche einer Frau nach himmlischer Erfüllung, wofür Regisseur Christof Loy und Dirigentin Giedrė Šlekytė an unser Haus zurückkehren. Wiederum anders, aber ebenso romantisch klingt Vincenzo Bellinis Meisterwerk Norma, das seit 28 Jahren nicht mehr in Wien zu sehen war. Umso mehr freuen wir uns, die für 2020 geplante und pandemiebedingt abgesagte Produktion in der Regie von Vasily Barkhatov endlich präsentieren zu können, und zwar mit dem langersehnten Debüt von Asmik Grigorian in der herausfordernden Titelpartie.
In der Reihe „Familienoper“ zeigen wir Der kleine Prinz von Pierangelo Valtinoni nach der gleichnamigen Erzählung des dafür weltberühmten Autors Antoine de Saint-Exupéry. Auf der Suche nach Freundschaft erkennen unterschiedlichste Lebewesen, dass ihre äußere Erscheinung nicht unbedingt ihrem Selbstbild entspricht. „Man sieht nur mit dem Herzen gut“, erklärt der Fuchs dem kleinen Prinzen – für uns der beste Grund, verstärkt dem jungen Publikum beherztes Musiktheater zugänglich zu machen. Unsere Musiktheatervermittlung TaWumm! macht es möglich – auch bei Bravissimo!, einer abenteuerlichen Entdeckungsreise durch das Theater an der Wien, bei der innerhalb einer Stunde viele Rätsel vor, hinter und auf der Opernbühne gelöst werden!
Dank der kulturellen Vielfalt Wiens können wir zahlreiche Werke mit einem besonderen Bezug zur Stadt und zum Theater an der Wien präsentieren, ohne unsere programmatische Spannweite zu verringern. Natürlich soll der 200. Geburtstag des „Walzerkönigs“ Johann Strauss dort gebührend gefeiert werden, wo 13 seiner 15 Operetten das Rampenlicht der Welt erblickten. Zu Beginn des Strauss-Jubiläumsjahrs 2025 geht Das Spitzentuch der Königin in exquisiter Sängerbesetzung über die Bühne seiner Uraufführung.
Wie viele Komponist*innen der Wiener Klassik steht auch Marianna Martines zu Unrecht im Schatten Mozarts. Die Mentoren der bereits in jungen Jahren als Komponistin, Cembalistin und Sängerin in Wien reüssierenden Martines waren keine Geringeren als Joseph Haydn und Pietro Metastasio, auf dessen Libretto ihr Oratorium Isacco figura del redentore beruht. Dieses 1782 mit großem Erfolg von der Wiener Tonkünstler-Societät aufgeführte Werk können Sie unter der musikalischen Leitung von Chiara Cattani und in der Regie Eva-Maria Höckmayrs erleben, wenn beide ihr Wiener Debüt in der Kammeroper geben.
Auch die Aufführung von selten gespielten Werken moderner und zeitgenössischer Komponist*innen ist ein Anliegen des MusikTheaters an der Wien. 100 Jahre nach Franz Kafkas Tod präsentieren wir die geglückte Opern-Adaption seines Romans Der Prozess von Gottfried von Einem, dessen Vertonungen von Weltliteratur besonders in Wien immer großen Zuspruch fanden. Als Koproduktion mit der Neuen Oper Wien steht deren künstlerischer Leiter Walter Kobéra am Pult, während ich als Intendant des MusikTheaters an der Wien zum ersten Mal in der Wiener Kammeroper Regie führen darf.
Im Jahr 2023 brachte das norwegische Musicalduo Gisle Kverndokk und Aksel-Otto Bull die bewegte Lebens- und Liebesgeschichte Ruth Maiers erfolgreich auf die Bühne – einer Wiener Anne Frank, die vor den Nationalsozialisten nach Norwegen flüchtete, von wo aus sie während des Krieges nach Auschwitz deportiert und ermordet wurde. Als Musical in der Kammeroper setzt Briefe von Ruth auch für unseren CAMPUS ganz neue Maßstäbe.
Der russischen Oper Die Verlobung im Kloster liegt eine irische, jedoch in Spanien spielende Komödie von 1775 zugrunde, die den großen Klassiker der Moderne, Sergej Prokofjew, dazu inspirierte, im Jahr 1940 ein musikalisches Feuerwerk zu zünden. Freuen Sie sich auf dieses Musiktheaterfest in der Regie von Damiano Michieletto unter dem Dirigat von Dmitry Matvienko.
Entgegen Hamlets letzten Worte „The rest is silence“ fand William Shakespeares Tragödie schon in der barocken Oper großen Nachhall. Zusammen mit dem Ensemble La Lira di Orfeo zeigt die Regisseurin Ilaria Lanzino, wie außergewöhnlich Francesco Gasparini – der nicht weniger als 60 Opern komponierte – mit dem berühmten Stoff in seinem Ambleto umging. Zudem bieten wir in unserer Reihe Konzertante Oper weitere Opernperlen des Barock im frisch sanierten Theater an der Wien an – darunter drei der schönsten und originellsten Werke Georg Friedrich Händels.
Eine lange vor der Premiere ausverkaufte Vorstellungsserie spricht für sich: Astor Piazzollas María de Buenos Aires war in der Saison 23/24 ein Publikumsrenner. An vier Abenden haben Sie auch in dieser Saison die Chance, unsere erfolgreiche Produktion in der Kammeroper mit dem Ensemble folksmilch in der suggestiven Inszenierung von Juana Inés Cano Restrepo zu erleben.
Es ist mir eine besondere Freude, dass der renommierte Schriftsteller und von der Oper mehr als begeisterte Ilija Trojanow uns durch diese Spielzeit als „Writer in Residence“ begleiten wird. Als solcher schreibt er exklusiv für unsere Medien und erzählt bei Sonderveranstaltungen, was er bei den Proben sowie im Gespräch mit unseren Künstler*innen erlebt hat und warum ein Leben mit Musik und Theater glücklich macht.
30 Minuten vor jeder Vorstellung geben unsere Dramaturgen Kai Weßler und Christian Schröder weiterhin eine Werkeinführung. An der Linken Wienzeile finden diese im Himmel statt – unserem ganz neuen Foyer mit einer großen Terrasse und freiem Blick zum Naschmarkt. Im Souterrain hingegen laden wir in der Hölle zu intimen Konzerten in lockerer Atmosphäre gleich neben der neuen Kantine ein. Auch das neue Entrée im Erdgeschoß ist gastfreundlicher geworden – mit Tages- und Abendkasse, großzügigen Garderoben und Sanitärräumen, einem neuen Fahrstuhl und einer neuen Haupttreppe, die nunmehr sämtliche Bereiche des Hauses für alle zugänglich machen.
Zusammen mit unseren festen Partner*innen, dem Arnold Schoenberg Chor, dem ORF Radio-Symphonieorchester Wien und den Wiener Symphonikern, heiße ich Sie voller Vorfreude willkommen zurück in der Zukunft im MusikTheater an der Wien!
Herzlich,
Stefan Herheim
Intendant MusikTheater an der Wien