Kammeroper in einem Prolog und einem Akt (1980)
Libretto von Peter Maxwell Davies
Premiere:
Donnerstag, 28. Oktober 2021, 19:30 Uhr
Aufführung:
29. Oktober 2021, 19:30 Uhr
Einführungsmatinee:
17. Oktober 2021, 11.00 Uhr
In englischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Neuproduktion des Theater an der Wien in der Kammeroper
Besetzung
Handlung
Ein sonderbarer Vorfall wird gerichtlich untersucht: Als ein Versorgungsschiff einen einsamen Leuchtturm erreichte, fanden die drei Offiziere den Leuchtturm bis auf eine Schar Ratten verlassen vor. Von den drei Leuchtturmwärtern fehlte jede Spur. Es gab trotz stürmischen Wetters keine Anzeichen eines Kampfes oder einer Flutkatastrophe, alles sah aus, als ob die drei nur kurz den Turm verlassen hätten: Der Tisch war gedeckt, das Abendessen stand bereit. Vor Gericht werden die drei Offiziere nun verdächtigt, mit dem Verschwinden der Wärter etwas zu tun zu haben. Ihre Aussagen erhellen die Umstände aber nicht, alles wird nur geheimnisvoller, da sie die Situation unterschiedlich wahrgenommen haben, aber übereinstimmend die Atmosphäre als spukhaft schildern. Aus der Verhandlung wird eine Vision der Ereignisse: Die drei Wärter, die dort seit Monaten in Einsamkeit lebten, waren sehr verschieden: Arthur war augenscheinlich ein selbstgerechter Glaubenseiferer, Blazes und Sandy hingegen hatten eine moralisch zweifelhafte Vergangenheit. Aber alle drei versteckten sich vor ihrer Vergangenheit auf der Insel. Kartenspielen war ihr einziger Zeitvertreib. Eines Abends lud sich die Atmosphäre aggressiv auf. Sie versuchten sich zu beruhigen, indem sie jeweils ein Lied sangen, das ihnen etwas bedeutete – bald stellte sich heraus, dass sie damit in ihr eigenes Schicksal blicken ließen: Blazes erzählte, wie er eine alte Frau wegen ihres Geldes erschlug, sein Vater wurde dafür gehenkt. Er schien keinerlei Gewissensbisse zu haben. In Sandys Lied spiegelte sich eine verhängnisvolle Liebesgeschichte, und Arthur ließ seinen Zwangsfantasien vom goldenen Kalb und dem Morden um es herum freien Lauf. Mit dem steigenden Nebel krochen auch die Geister der Vergangenheit aus dem Meer und griffen nach den Dreien, bis sie – mittlerweile völlig wahnsinnig – aus dem Sturm eine strafende Bestie mit leuchtenden Augen auftauchten sahen, die sie holen wollte. Die gerichtliche Untersuchung endet mit einem Freispruch für die drei Offiziere. Das Schicksal der Wärter bleibt ein ungeklärter Unglücksfall. Man erfährt noch, dass sich keine neuen Wärter für diesen Leuchtturm gefunden haben und dort nun alles automatisiert vonstatten geht.
Zum Werk
Peter Maxwell Davies lebte seit Beginn der 1970er Jahre auf den Orkney-Inseln nördlich von Schottland. Gute und böse Geister können einem begegnen in dieser wilden Verlorenheit inmitten des Meeres. Für Davies waren es inspirierende Geister, für seine Figuren in The Lighthouse, furchteinflößende und tödliche. Anlass zur Entstehung der Oper war ein realer Fall: Im Jahre 1900 sind wirklich drei Leuchtturmwärter von einer der einsamen Flannan-Inseln, die im Nordwesten Schottlands liegen, spurlos verschwunden. Bis heute ist ihr Verbleib nicht geklärt worden. Davies entwarf mit seiner Oper eine eigene erschreckende Lösung für das Rätsel. Seine Figuren versuchen, auf dieser Insel ihrer Vergangenheit zu entfliehen, verdrängen aber, dass sie stets in ihnen verborgen ist. Wir erleben in dieser Kammeroper, wie ihre innersten Ängste in den beengten Verhältnissen des Leuchtturms, umgeben von Nebel, Sturm und Meer, erwachen. In einem Crescendo von Grauen endet das Stück. Davies (1934-2016) ist heute ein Klassiker des 20. Jahrhunderts, seine Orchesterwerke und Opern prägten die zeitgenössische Musik seit den 1960er Jahren. Begonnen hat er als junger Wilder, der die klassische englische Musik nach dem Vorbild der Neuen Musik revolutionieren wollte, die nach dem Krieg auf dem Kontinent u.a. von Stockhausen, Nono und Boulez geschaffen wurde. 1980 war er ein kompositionstechnischer Meister auf der Höhe der Zeit. Nie hat er aber seine Anfänge als Musiklehrer vergessen und wollte immer, dass die Menschen auch ohne Vorbildung seine Stücke formal erfassen und verstehen können. In dieser Kammeroper für drei Solisten und sieben Instrumentalist*innen konzentriert er all sein Können und spannt in der nur ungefähr 70 Minuten langen Oper den Bogen vom kammermusikalischen Stil der Gerichtsszene über die sehr individuellen, parodistischen Lieder der drei Wärter bis hin zu der bedrohlichen Gespensteratmosphäre am Schluss. Für Instrumentalensemble wie Solisten ist das kleine Werk gleichermaßen eine Herausforderung. Man braucht scheinbar wenig: Nur eine Handvoll wirklich guter Musiker*innen. Die sehr erfolgreiche Uraufführung fand am 2. September 1980 im Moray House Gymnasium beim Edinburgh Festival statt und wurde schnell vielfach nachgespielt.